Das Neonmännchen

Das Neonmännchen

 

Und ich denk mir noch: „Warum fährt das verdammte Tram nicht?! Ich geh gleich zum Fahrer und motze!“ Bin aber faul und wenig kampflustig, starre stattdessen weiter aus dem Fenster. Die grosse Kreuzung und unser Lichtsignal. Wechselt von ‚fahren‘ zu ’stoppen‘ und wieder zu ‚fahren‘. Wir warten weiter.
Da fällt mir ein Neonmännchen inmitten der riesigen Kreuzung auf. Mit leicht verzweifelten Bewegungen versucht er Trams und Autos zu koordinieren und das über acht Einfahrtsmöglichkeiten. Hab ihn nicht gleich als den erkannt, der für die Kreuzung zuständig ist, weil er zwischendurch immer wieder seine Hand in die Hüfte stützt und entnervt wegzugehen scheint.
Nun entwickelt sich eine Art Selbsthilfekoordination. Mein 8er Tram und ein anderes 8er Tram stehen sich in einem 90° Winkel gegenüber, beide brauchen die gleiche Einfahrt, in die gleiche Richtung. Station Bellevue. Im Chaos kommunizieren die beiden 8er Tramchauffeure nonverbal. Der 8er von links, signalisiert meinem 8er: schon gut, fahr du zuerst. Bremse gelöst, hurra es geht voran.
Aber sie haben nicht mit dem Neonmännchen gerechnet. Fuchsteufelswild, als er merkt, dass sich etwas ohne sein Zutun entwickelt, springt er in den Weg von meinem 8er. Vollbremsung. Wieder warten.
Endlich winkt das Neonmännchen uns durch.
Aber damit nicht genug.
An der Station angekommen, stürmt das Neonmännchen zu meinem Tramchauffeur und wütet: „Du kannst doch nicht fahren, ohne das ich Zeichen gebe!“ Der Chauffeur, nicht minder sauer, giftet dass er seine Fahrgäste nicht minutenlang an einer Kreuzung warten lassen kann.
Doch das hört das Neonmännchen schon nicht mehr. Denn plötzlich ist ihm aufgegangen, dass er seine Riesenkreuzung sich selbst überlassen hat.

 

 

 

 

 

 

 

(2015)